Change Management
Wie Unternehmenskultur funktioniert
und wie man sie wandelt
Das Thema „Unternehmens- und Führungskultur“
ist aufgrund spektakulärer Skandale gerade in Deutschland aktueller denn je.
Schlechte Unternehmenskultur kann Milliardenaufträge kosten und das öffentliche
Bild eines Betriebes auf Jahre beschädigen. Consultant und Trainer Klaus Eckrich leitet im HR-Channel von
buchreport.de Manager dabei an, die Kultur ihres Unternehmens zu
verändern.
Kultur wirkt im Unternehmen – unabhängig davon, ob wir sie steuern oder
auch nicht
Im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen
steht zunächst die Analyse, wie die bloße Existenz von Kultur wirkt. Dabei ist
es wichtig, zu verstehen, dass der Transmissionsmechanismus von der Kultur auf
die Unternehmensabläufe und den Unternehmenserfolg wirkt, selbst wenn keine
steuernden Eingriffe vorgenommen werden. Anders ausgedrückt: die Kultur
beeinflusst den Erfolg auch dann, wenn die Führung auf Kultursteuerung
verzichtet. Will die Führung gezielt steuern, kann das Zusammenspiel der
Steuerungsgrößen in Anlehnung an das auf Hofstede und Trompenaars zurückgehende Zwiebelmodell veranschaulicht
werden. Die Wirkungsrichtung der Interaktion der verschiedenen Ebenen der
Kultur kann, wie in Abbildung 6 veranschaulicht,
aus zwei entgegengesetzten Perspektiven gesehen werden: Die Richtung von innen
nach außen verdeutlicht, wie sich eine Kultur entwickelt, die ohne steuernde
Eingriffe der Führung gelebt wird. Diese Interaktionsrichtung wird im Folgenden
als Transmissionsmechanismus der gelebten Kultur bezeichnet. Das Ergebnis des
Mechanismus ist die Ist-Kultur. Die Gegenrichtung von außen nach innen zeigt
die Wirkungskette, die in Gang zu setzen ist, wenn die Führung gezielt Einfluss
auf die Kultur nehmen, mithin eine neue Soll-Kultur schaffen will. Diese
Wirkungskette wird als Transmissionsmechanismus der gesteuerten Kultur
bezeichnet.
"Wie
die Unternehmenskultur funktioniert“.
Aus Klaus
Eckrich, „Kulturveränderung im Unternehmen“. Verlag Franz Vahlen
Die Schale der Zwiebel dient als Metapher für
das Verhalten. Sie befindet sich außen und ist gut sichtbar. Wir wissen, dass
sich darunter mehr verbirgt. Wenn wir die Zwiebel aufschneiden, entdecken wir
Schicht für Schicht, was sich unter der Oberfläche verbirgt, zum Beispiel die
Einstellungen. Schließlich stoßen wir zum Kern der Sache, den Werten vor.
Derjenige, der die Zwiebel schält und aufschneidet, wird beim Aufblättern
bekanntermaßen Tränen in die Augen bekommen. Die Tränen können als Sinnbild für
Konfliktpotenziale gesehen werden, die Führungskräfte freilegen, wenn sie
menschliches Verhalten ansprechen und darunterliegende Einstellungen und Werte
hinterfragen.
Die Steuerungsgröße Verhalten
Sie bildet die außen liegende, für das
Kulturmanagement leicht erfassbare Schicht. Es braucht nur etwas Übung, um
Verhalten zu beobachten, zu beschreiben und zu verbalisieren, was verändert
werden soll. Betrachten wir das Beispiel eines Projektteammitarbeiters, der des
Öfteren unpünktlich zu den Teammeetings erscheint. Die Frage ist, wie wir auf
das Verhalten einwirken können. Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten.
(1) Wir können das Verhalten direkt und
kurzfristig ändern, indem wir die Verhaltensänderung anordnen. Wir können
Menschen zwingen, etwas zu tun, und bei gegenteiligem Verhalten mit negativen
Sanktionen drohen. Wenn der Projektteammitarbeiter häufig unpünktlich ist, dann
können wir ihm androhen, ihn aus dem Team zu werfen oder uns bei seinem
Linienvorgesetzten zu beschweren. Möglicherweise wird er zukünftig etwas
pünktlicher sein. Die Frage ist nur, wie nachhaltig der Effekt wirkt. Wenn
derjenige, der den Zwang ausübt, einmal den Rücken kehrt oder nicht 100 %
konsequent ist, wird der Mitarbeiter in seine Gewohnheit zurückfallen und sein
altes Verhaltensmuster annehmen. Die Wirksamkeit von Zwangsmaßnahmen und
Machtmitteln ist also begrenzt.
Eine Alternative bietet die Möglichkeit (2):
Wir setzen auf die Einsichts- und die Lernfähigkeit des Mitarbeiters und machen
ihm deutlich, warum es gerade für uns als Team und für dieses Projekt und seine
interne Organisation wichtig ist, dass alle pünktlich zu den Meetings
erscheinen. Einsichts- und Lernprozesse benötigen in der Regel jedoch Zeit. Sie
sind im Gegensatz zur Druck- bzw. Zwangsausübung auf Nachhaltigkeit angelegt. In
der Folge eines Lernprozesses kann der Mitarbeiter selbst einschätzen, wie
wichtig Pünktlichkeit für ihn und die anderen ist, und er wird selbst darauf
achten, dass er in Zukunft pünktlicher erscheint.
Dies ist ein wesentlicher Punkt, den viele
Manager falsch einschätzen. Sie können zwar versuchen, Kulturveränderung zu
verordnen. Das Risiko zu scheitern ist jedoch hoch, weil Menschen dazu neigen,
zu gewohntem Verhalten zurückzukehren, sobald der äußere Druck nachlässt. Wenn
Vorgesetzte auf das Verhalten ihrer Mitarbeiter Einfluss gewinnen wollen, dann
müssen sie es den Menschen ermöglichen, ihr Verhalten zu reflektieren. Dies
kann schon ausreichen, um die Verhaltensänderung zu bewirken. Ist dies nicht
der Fall, müssen sie ihnen helfen, durch geeignete Führungs- und
Fördermaßnahmen, zum Beispiel durch Gespräche, durch Trainings usw., das eigene
Verhalten anzupassen. Im Rahmen solcher Maßnahmen werden die tiefer liegenden
Schichten der Kulturzwiebel angesprochen.
Die Steuerungsgrößen Einstellungen und Werte
Nachhaltige Verhaltensänderungen verlangen
einen Musterwechsel in den handlungsleitenden Einstellungen der Beteiligten. In
unserem Beispiel müsste der Projektteammitarbeiter seine Einstellung, „Kommst
du heute nicht, kommst du morgen“ aufgeben und eine Einstellung annehmen wie:
„Wenn ich gesagt habe, ich komme um neun Uhr, dann bin ich um neun Uhr nicht
nur anwesend, sondern auch arbeitsfähig.“ Dieser Einstellungswandel ist dann
von Dauer, wenn er von einem Wertewandel gestützt wird. Erst wenn der Einstellungswandel
auf einer Veränderung in den individuellen Werten des Mitarbeiters gründet, ist
die Veränderung wirklich stabil. In unserem Beispiel müsste also der
Mitarbeiter aus eigener innerer Überzeugung heraus dem Wert „Pünktlichkeit“
höhere Priorität beimessen.
Der Transmissionsmechanismus der ungesteuerten Kultur
Im Fokus des nächsten Schritts steht der
Übergang von der individuellen Verhaltensänderung zur abgestimmten Veränderung
des Verhaltens mehrerer Beteiligter im Unternehmen. Die gelebten Werte der Menschen
wirken prägend auf ihre persönlichen Einstellungen. Die gelebten Einstellungen
bestimmen das praktische, beobachtbare Handeln. Das gelebte Verhalten wirkt
sich als Bestandteil der Kultur des Unternehmens auf die internen Abläufe
unmittelbar aus.
Aus Klaus Eckrich, „Kulturveränderung im
Unternehmen“. Verlag Franz Vahlen
Stellen wir uns die Situation des
verantwortlichen Leiters der Produktion eines mittelständischen
Automobilzulieferers vor. Die kulturelle Konstellation ist in Abbildung 7 schematisch dargestellt. Die Kulturzwiebel
ist von innen nach außen zu lesen. Dadurch wird der Transmissionsmechanismus
der ungesteuerten Kultur erkennbar. Es ergibt sich folgender Zusammenhang: Den
Mitarbeitern liegt wenig an der Qualität der eigenen Arbeit und die
Produktqualität wird als zweitrangig eingestuft. Eigenverantwortung ist für die
Mitarbeiter ein Fremdwort. Bei den Mitarbeitern genießen Werte wie „Qualität“
und „Eigenverantwortung“ keine Priorität. Im Katalog der individuellen
Grundwerte der Mitarbeiter fehlen diese beiden Werte oder sind zu schwach
ausgeprägt. Nehmen wir ferner an, die Einstellung der Mitarbeiter sei, die
Dinge reaktiv anzugehen, sie handeln erst, wenn der Druck von außen (zum
Beispiel vom Kunden) als lästig empfunden wird.
Wie wird das wahrscheinliche Verhalten der
Mitarbeiter in dieser Konstellation aussehen? Vermutlich werden wir Menschen
beobachten, die nicht oder zu wenig auf Qualität achten und lieber Fehler
suchen als Fehler zu vermeiden. Die Mitarbeiter werden sich – wenn überhaupt –
mit einer gewissen Trägheit an die Mängelbeseitigung machen. Die Mitarbeiter
brauchen womöglich ständigen Antrieb von außen. Qualitativ hochwertige
Ergebnisse werden sie höchstens als Zufallsprodukt oder mithilfe übermäßigen
Energieaufwands seitens des Vorgesetzten liefern. Sie werden sich auch mit
Leistungen minderer Qualität zufriedengeben, solange es in der Firma niemand
merkt.
Diese beispielhaft angenommene kulturelle
Konstellation hat Folgen für die Unternehmensergebnisse. Produktqualität ist
nur erträumter Standard, die Arbeitsprozesse enthalten hohe Fehlerraten,
kontinuierliche Verbesserung ist nicht möglich, Problemlösungen dauern zu lange
und sind nicht nachhaltig. Eine Strategie der Qualitätsführerschaft
einzuschlagen wäre – ohne fundamentale Veränderung der Unternehmenskultur –
unrealistisch.
Die Wirkungen und Ergebnisse sind in dem
Beispiel aus didaktischen Gründen mit negativen Vorzeichen dargestellt. Der
Transmissionsmechanismus der ungesteuerten Kultur kann ebenso gut mit positiven
Vorzeichen dargestellt werden.
Der Transmissionsmechanismus der gesteuerten Kultur
Wir bleiben im Beispiel und gehen davon aus,
dass die Leitung des Unternehmens beschließt, eine Qualitätsführerstrategie
einzuschlagen. Sie betrachtet die Kultur explizit als Handlungsfeld, um die
Strategieumsetzung zu bewerkstelligen. Über die Definition der
Unternehmenskultur ist die Vorgehensweise des Kulturmanagements konzeptionell
determiniert. Technisch gesehen ist die Kulturzwiebel von außen nach innen zu
lesen und zu bearbeiten. Um den zur Strategieumsetzung notwendigen Wandel zu
erzeugen, wird die Führung in einem ersten Schritt Verhaltenserwartungen an die
Mitarbeiter definieren und begründen. Sie wird Soll-Einstellungen formulieren
und Lernprozesse einleiten, um den angezeigten Einstellungswandel anzustoßen.
Schließlich wird sie entsprechende Werte postulieren, um eine kulturell
nachhaltige Konstellation zu erzeugen. Dazu bedient sich die Führung des
Transmissionsmechanismus der gesteuerten Kultur, der die in Abbildung 8 dargestellte Wirkungskette in Gang setzen
soll. In dem betrachteten Beispiel sei die Entscheidung für die Strategie
der Qualitätsführerschaft gefallen. Ein logischer Schritt zur
Strategieumsetzung besteht darin, entsprechende strategische Ziele zu formulieren.
Es kann sich beispielsweise als sinnvoll erweisen, die eigene Produktqualität
als Branchenstandard zu definieren. In den Unternehmensabläufen werden neue
Arbeitsstandards, zum Beispiel Null-Fehler-Niveau, angestrebt, verbunden mit
dem Anspruch, in bestehenden Routine- als auch in neuen Arbeitsprozessen
geringe Fehlerraten zu erzielen. Kontinuierliche Verbesserung ist ein weiterer
Bestandteil des Zielkatalogs. Die Strategie der Qualitätsführerschaft wird dann
erfolgreich umgesetzt, wenn es der Führung gelingt, die zur Zielerreichung
erforderliche Kultur zu erzeugen.
Aus Klaus Eckrich, „Kulturveränderung im
Unternehmen“. Verlag Franz Vahlen
Die Mitarbeiter achten sorgfältig auf
Qualität. Sie gehen frühzeitig gegen mögliche Qualitätsmängel vor und betreiben
kontinuierliche Fehlerprophylaxe. Die Mitarbeiter verhalten sich bei der
Arbeit so, dass sie qualitativ hochwertige Ergebnisse liefern. Sie geben sich
mit Leistungen minderer Qualität nicht zufrieden und suchen ständig nach
besseren Lösungen. Die Einstellungen der Mitarbeiter weisen einen hohen Grad an
proaktivem Denken auf, das heißt, sie warten mit dem Handeln nicht, bis Druck
von außen kommt, sondern engagieren sich und erledigen die notwendigen Dinge,
bevor es zu Problemen kommt. Bei den Mitarbeitern genießen die vom Unternehmen
propagierten Werte Qualität und Eigenverantwortung hohe Priorität. Sie erleben
die Wertesynthese ihrer individuellen Grundwerte mit den von der Führung
propagierten Unternehmenswerten. Möglicherweise wurden die Unternehmenswerte
sogar gemeinsam mit den Mitarbeitern definiert und vereinbart.
Die Führung ist gefordert, mit effektiver
Führungsarbeit auf die Steuerungsgrößen einzuwirken, um die angestrebte
kulturelle Konstellation zu erzeugen. Falls dies nicht gelingen sollte, bleiben
den Führungskräften im Prinzip zwei Optionen: Die Führung nimmt Personalwechsel
bei ausgewählten Führungskräften und Mitarbeitern vor. Die Führung sucht also
gezielt nach Verstärkung von außen, nach Personen, die mit Ihren individuellen
Werten und Einstellungen in die angestrebte Kultur passen und mit
Handlungskompetenz die Realisierung der Soll-Kultur unterstützen. Die
Alternative besteht darin, dass sich die Führung mit der Performance der
bestehenden Mannschaft zufrieden gibt und ihr eigenes Anspruchsniveau
reduziert. Die Strategie der Qualitätsführerschaft ist nicht umsetzbar. Auch
die strategische Ambition ist zu verringern.
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zum Autor
Prof.
Dr. Klaus Eckrich, geboren 1960 in Speyer,
hat in Mainz Wirtschaftswissenschaften studiert. Seine Zusammenarbeit mit Führungskräften
startete er am Universitätsseminar der Wirtschaft, Schloss Gracht in
Erftstadt und repräsentierte danach die Ashridge Business School bei
London in den deutschsprachigen Märkten. Er lehrt Unternehmensführung,
Führungs- und Managementmethoden an der privaten Fachhochschule der
Wirtschaft in Bergisch-Gladbach. In seiner Arbeitspraxis unterstützt er
ambitionierte Geschäftsführer und Vorstände bei der Neuausrichtung ihrer
Unternehmen und der Umsetzung in ein erfolgreiches Veränderungsmanagement. Mit
Führungskräften arbeitet er an individuellen Lösungen zu ihren Fragen der Mitarbeiter-,
Team- und Selbstführung.