Donnerstag, 8. März 2018

Ein Führungsbuch für Freunde des tiefen Tellers


Rezension „Führen in der Gesunden Organisation“/ Ingo Kallenbach

 
Systemisches Denken, Leistung und Gesundheit, Potenzialentfaltung. Mit diesen drei Begriffen eröffnet Kallenbach seine Ausführungen zu einem Thema, das im Managementalltag notorisch nachlässig gehandhabt wird. Die Begriffe begegnen einem in der einschlägigen Managementliteratur leider allzu oft als Schlagworte oder bloße Leerformeln. Nicht so im ersten Kapitel von Kallenbachs Führungsbuch: „Was muss ich wissen? - Grundlagen“. Der Autor definiert die Konzepte präzise und erklärt sie ausführlich. Sehr systematisch, aber ohne akademische Überforderung. Dem Leser wird Tiefgang vermittelt, verbunden mit leicht auf die Führungspraxis übertragbaren Anwendungen.


 

Dieser Stil durchzieht konsequent die folgenden Ausführungen. Die VUCA-Welt? Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity zählen zu den am häufigsten malträtierten Managementbegriffen auf der Hitliste der Nebelkerzen selbsternannter Management-Gurus. Der Autor erklärt dagegen die vier Begriffe systematisch und setzt sie mit den Symptomen der „Kränkelnden Organisation“ in Verbindung.

 

Die Überschrift „typische Symptome“ könnte als „beliebige Aufzählung“ missverstanden werden. Der Autor trifft jedoch mit seiner Auswahl beginnend mit den Mitarbeitern, den Beziehungen, der Unternehmenskultur, den Prozessen und Strukturen sowie der Strategie exakt die Schwächepunkte, wie man sie in jedem Unternehmen kennt. Auffällig ist, dass der Autor die Reihenfolge der Dimensionen ganz selbstverständlich bei den Mitarbeitern beginnt und die Interessen der Aktionäre („Strategie“) an den Schluss stellt.

 

Kallenbachs Modell der sechs Dimensionen bildet den Analyserahmen für die „Kranke Organisation“ (Abbildung 26), der in den folgenden Ausführungen als Denk- und Handlungsrahmen für die Gesunde Organisation (Abbildung 40) aufgegriffen und in wohltuender Konsequenz ausgearbeitet wird. Führungskräfte, die ihre Organisation im Sinne vom mehr Leistungsfähigkeit verändern und hierfür ernsthaft mit ihren Mitarbeitern arbeiten wollen, erhalten somit nicht nur einen stimmigen Handlungsrahmen, sondern auch ein Konzept, das ihren Führungsteams und Mitarbeitern gut vermittelbar ist.

 

Mit der Abbildung 75 zur Potentialentfaltung stellt der Autor das Managementdenken auf den Kopf – oder besser auf die Füße. Das Top Management ist ganz unten und stärkt aus diesem Verständnis heraus den darüber positionierten mittleren Managern und Mitarbeitern bei der Strategieverfolgung den Rücken – anstatt diese beiden Gruppen „von oben“ zu blocken (Abbildung 74).

 

Tiefgang zeichnen auch die konkreten Führungsansätze aus, die Kallenbach zur Stärkung der Gesunden Organisation vorschlägt. Die praktischen Vorgehensweisen wie z.B. „positiv Führen“ oder „vernetzt Führen“ werden zum einen mit Begriffserklärung, Praxisbeispiel und Einschätzung der Wirkung veranschaulicht. Darüber hinaus werden sie systematisch in den Kontext von „Individuum“, „Team“ und Organisation“ gestellt. Die Gefahr, dass dies den Leser ermüdet, entsteht nicht. Im Gegenteil: Mit seiner Passion für Stringenz macht der Autor gerade auch Praktiker immer wieder neugierig.

 

Nicht zuletzt machen die zahlreichen Abbildungen, die das Verständnis und die Wiedererkennung stärken, sowie die wissenschaftsnahe Fundierung das Werk zu einem verlässlichen Kompass die Führungskraft, die ausgetretene Pfade verlassen möchte.

 

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